Ansichten zum Fall Kurnaz
Es ist kafkaesk, wie Kurnaz irgendwo dazwischen festsaß
Drei Punkte zu dem Thema:
Erstens:
Falls die USA Murat Kurnaz an Deutschland haben übergeben wollen und falls dies das Steinmeier’sche Kanzleramt abgelehnt hat, müsste der Außenminister eigentlich zurück treten (warum ich das so vorsichtig formuliere: siehe Punkt zwei). Jemandem, dessen Menschenrechte in einem Drahtkäfig im kubanischen Dschungel derart mit Füßen getreten werden, wie es in Guantanamo passiert, nicht zu helfen, bedeutet eine Verletzung der sozialdemokratischen Grundwerte Solidarität, Freiheit und Gerechtigkeit, die für einen Mann in solch einem hohen Amt nicht mehr zu rechtfertigen ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob Kurnaz Terrorist ist oder nicht (er ist es natürlich nicht), denn: Don’t become a monster in order to fight a monster! Menschenrechte zu verletzen, nur weil sie zu Terroristen gehören, bedeutet, die Wut regieren zu lassen.
Sind wir ehrlich: Angesichts der Vorwürfe, die sich hartnäckig in Berlin und Straßburg halten, kann man guten Gewissens annehmen, dass die Führung des früheren Kanzleramts dafür mitverantwortlich ist, dass Kurnaz viel zu lange in einem Gefängnis einsaß, das ein politisches Unding ist. Das Argument, Kurnaz habe ja gar keine deutsche Staatsbürgerschaft (was stimmt) und deshalb hätte Deutschland auch keine Verantwortung dafür gehabt, gilt nicht. Kurnaz hatte seinen Lebensmittelpunkt in Bremen und war dort korrekt polizeilich gemeldet, also war er der Bundesrepublik derart verbunden, dass die deutsche Regierung sehr wohl Verantwortung für ihn trug. Und überhaupt: Eine sozialdemokratische Regierung sollte sich dafür einsetzen, dass Unschuldige aus Guantanamo entlassen werden, ganz unabhängig davon, welche Beziehung diese zu Deutschland haben. Das bedeutet noch lange nicht, gefährliche Straftäter frei auf dieser Welt herum laufen zu lassen, schließlich gibt es auch wirksame Sicherheitseinrichtungen, die nicht die Menschenrechte verletzen.
Zweitens:
Ich lehne mich jetzt mal ganz weit aus dem Fenster und sage: Frank-Walter Steinmeier bleibt im Amt. Die Begründung: Wenn einmal ein Untersuchungsausschuss eingerichtet ist, wird die Lage dank Widersprüchen in den zu Tage geförderten Fakten meist sehr kompliziert. Dann kann niemand durch sie mehr so unter Druck gesetzt werden, dass es für einen Rücktritt reichen würde. Außerdem waren parlamentarische Untersuchungsausschüsse schon perfekte Showbühnen für Otto Schily und Joschka Fischer, denen ihre Auftritte dort wahrscheinlich mehr genützt als geschadet haben. Nun hat Steinmeier bestimmt weit weniger Showtalent als diese beiden, aber fürchten muss er sich bestimmt nicht.
Davon abgesehen braucht Merkel ihn als routiniert laufender Integrationsmotor zwischen Rot und Schwarz. Wenn also das Kabinett und seine Führung sagen, sie stärken Steinmeier den Rücken, ist diese Aussage in der Politik ausnahmsweise wahrscheinlich mal ernst gemeint.
Drittens:
So manche spontane Äußerung, freilich abseits der Leitartikelspalten der großen Blätter, lässt mal wieder tief blicken, wie viel misanthropische Frustration und vielleicht gar wie viel Ausländerhass (mindestens: Berührungsangst) in so manchem Mitbürger stecken mag. Ich zitiere aus einem Internetforum, das sich eigentlich ganz unbedarft mit Mountainbikes auseinandersetzt und bestimmt nicht explizit politisch rechts ist. Ein paar besondere Exemplare von politischem Tiefflug (habe sämtliche Fehler bei Rechtschreibung etc. drin gelassen):
„Ist echt hart! Der Typ sollte sich schleunigst in sein LAnd verpissen, das
er doch angeblich so liebt! und dann noch so ein wahnsinns Tumult drumherum. Ich
will gar nicht wissen, was der Steuerzahler dem schon alles bezahlt hat. Der ist
ein Musterbeispiel von so einem Penner, der auf den Staat schimmpft, extrem
kontraproduktiv ist und trotzdem gerne die Hand aufhält um Sozialhilfe zu
empfangen! raus mit so nem Müll“
„(…) welcher "rasse" gehört dieser
kurnaz eigentlich an? neger isser jedenfalls nicht ...“
„Und
ohne verallgemeinern zu wollen, dieser Mensch macht leider den Eindruck eines
Sozialschmarotzers der auf das System scheißt, aber Hilfe erwartet!“
Zitat Ende. Erschreckend daran finde ich die dahinter steckende Logik: Ein Mensch hat keine Hilfe verdient, nur weil er kein Deutscher ist und weil er keine Arbeit hat? Ich weiß nicht, warum die drei zitierten Typen solch eine verkorkste, menschenverachtende Weltsicht haben. Aber es ist zu befürchten, dass der Terrorismus der letzten Jahre nicht gerade dazu beigetragen hat, dass solche Ansichten weniger werden. Genau das ist natürlich ein Erfolg für den postmodernen Massenterrorismus von Al Qaida und Co, der durch den Tod tausender die Köpfe von Millionen erreichen kann.
Fazit: Steinmeier (und seine Geheimdienstmannen) haben nicht geholfen und trotzdem bleibt er im Amt und dem Ausländerhass nützt das ganze vielleicht auch noch. Dumm gelaufen wär’ geprahlt.
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