In the Company of Greatness
Es sind schlimme Zeiten. Schwerer Nebel hängt in den Wäldern Mittelschwedens, kalter Regen teilt beim Radfahren in die Stadt Peitschenhiebe aus und die skandinavische Nacht kommt nun schon um 15 Uhr. Es sind Zeiten, depressiv zu werden, mag sich der geneigte Leser sorgen. Doch lasst mich beschwichtigen, liebe Freunde: Wir Skandinavier wissen, wie Abhilfe zu schaffen ist und hoben deshalb im steten Kampf gegen den wohl sinnlosesten Monat des Jahres (wer zur Hölle braucht November?) eine norwegisch-schwedische Selbsthilfegruppe aus der Taufe. Am vergangenen Donnerstagabend schritt ich frohen Mutes gen Uppsalaner Bahnhof, um dort einen alten Mitstreiter in Empfang zu nehmen, der auch in die dunkelste schwedische Nacht noch das Licht der Freundschaft trägt: Holger kam.
Wer uns kennt, wird wissen, was als erstes nach der Ankunft in Ekeby auf dem reichhaltigen Programm stand: Genau, die guuuude Tomaddesoß! Nach dieser sowie einem Bier oder fünf riefen dann allerdings bald die Federn, was angesichts der Planung für die nächsten Tage auch nicht das unvernünftigste war.
Nach ehrfurchtsvoller Besichtigung des Uppsalaner Doms brachen wir beim nächsten Tageslicht gen Stockholm auf. Am mächtigen Stadshuset vorbei zogen wir dort durch Gamla Stan zur Slussen und weiter zum Vasamuseum. Als die frühe Dunkelheit hereingebrochen war, sagten wir alsbald zu einem am Wegesrand liegenden Irish Pub nicht Nein. Beste Kneipenatmosphäre erwartete uns dort: Bei rockigen Songwriter-Klängen im Hintergrund und frischem Stor Starck taten auch die Füße nicht mehr weh.
Da sich jedoch zwei Bier auf nüchternen Magen nicht gut machen, sagten wir bald Adieu und verleibten uns beim Imbiss schräg gegenüber zwei Portionen Köttbullar ein, bevor die Wahl auf ein weiteres Etablissement fiel, das sich erst beim zweiten Blick und schon bestelltem Bierchen als wahre Freakshow entpuppte. Lange Kerzen flackerten in den Fenstern, ein haargegelter Anzugträger mit tiefdumm lächelnder Barbiefreundin im Arm machte blöde Witze, der Wirt hatte keine Haare auf dem Kopf, dafür sehr lange im Gesicht und trug eine schwere Stahlkette um den Hals. Die Gläser in unseren Händen vibrierten, weil stetig Schallwellen in Form gegrunzten Heavy Metals dagegen schlugen. Als zwei Transvestiten mit rosa Perücken und Cowboyhüten neben uns Platz nahmen, gingen wir lieber.
Nach soviel Großstadtleben auf einmal brachen wir am Samstag dorthin auf, wo harte Jungs wie wir am besten aufgehoben sind: In die schwedische Wildnis. Ein zwölf Kilometer langer Wanderpfad führte uns an die Seen des Tyresta Nationalparks.
Vier Stunden folgten wir verschlammten Pfaden durch das vermooste Unterholz, rutschten auf glitschigen Holzstegen über dampfenden Moore und gingen auch durch den Teil des Parks, der vor sechs Jahren durch einen Waldbrand zerstört wurde. Eine sehr gespenstische Szenerie: Verkohlte Baumreste recken sich dort in den nassen Nebel, vermoderte Treppen führen über mannshohe Schärenfelsen und umgestürzte Stämme, die Sichtweite liegt bei geschätzten zehn Metern.
Wer denkt, dies war ein Abenteuer, sollte sich allerdings zu Gemüte führen, was uns bei der Rückfahrt ereilte: Bei langsam heraufziehendem Dämmerlicht spuckte uns der Tyresta wieder an jener Bushaltestelle aus, wo am Vormittag unsere Wanderung begonnen hatte. Prompt wartete dort auch ein Bus auf uns. In tiefer Überzeugung, so Stockholm näher zu kommen, sprangen wir flugs hinein, überzeugten den Fahrer davon, unseren 500-Kronen-Schein anzunehmen und nahmen in der letzten Reihe Platz. Die Sache lief auch routiniert, bis uns nach zwanzig Minuten auffiel: Wir sind die fucking einzigen, alle anderen Fahrgäste sind bereits ausgestiegen. Unsere Sorgen wuchsen, als erstens der Busfahrer ungerührt an mehreren besetzten Haltestellen vorbeirauschte, er zweitens in seinem Fahrstil an den Typen aus „Speed“ zu erinnern begann und er drittens die Innenraumbeleuchtung ausschaltete. Da unsere verzweifelten Versuche, mit ihm Kommunikation aufzunehmen („Ey, machsch amol des Lischt wiedda an, kann ja kei Mensch lese bei der Funzelei!“) konsequent ignoriert wurden, beschlossen wir, brav Platz zu behalten und des Dinges zu harren, das da kam. Es stellte sich als Busdepot heraus. Als ich dem Fahrer vorsichtig auf die Schulter tippte, erschrak der gute Mann dann auch sehr und begann, sich zu entschuldigen, er habe gar nicht gemerkt, dass noch jemand hier sei und, ja, er müsse wohl auch vergessen haben, durchzugeben, dass das da vor zehn Minuten die Endstation war und nein, das sei nicht der Bus, den wir eigentlich hätten nehmen müssen. Um es kurz zu machen: Wir mussten ein bisschen improvisierten.
Was uns gelang. So trafen wir prompt rechtzeitig zur Saunaparty im benachbarten Flogsta ein, wo ein anstrengender Tag in der Natur bei Pizza, Carlsberg und mörderischen Aufgussrhythmen endete. Da auch Holger, trotz seiner diversen Tricks auf Lager, den studentischen Pflichten in der Wahlheimat nicht auf Dauer zu entkommen vermag, brach er heute wieder gen Westen auf. Bis zum nächsten Mal und Danke, Mann.
A gentlemen will walk but never run,
Cfö.
Wer uns kennt, wird wissen, was als erstes nach der Ankunft in Ekeby auf dem reichhaltigen Programm stand: Genau, die guuuude Tomaddesoß! Nach dieser sowie einem Bier oder fünf riefen dann allerdings bald die Federn, was angesichts der Planung für die nächsten Tage auch nicht das unvernünftigste war.
Nach ehrfurchtsvoller Besichtigung des Uppsalaner Doms brachen wir beim nächsten Tageslicht gen Stockholm auf. Am mächtigen Stadshuset vorbei zogen wir dort durch Gamla Stan zur Slussen und weiter zum Vasamuseum. Als die frühe Dunkelheit hereingebrochen war, sagten wir alsbald zu einem am Wegesrand liegenden Irish Pub nicht Nein. Beste Kneipenatmosphäre erwartete uns dort: Bei rockigen Songwriter-Klängen im Hintergrund und frischem Stor Starck taten auch die Füße nicht mehr weh.
Da sich jedoch zwei Bier auf nüchternen Magen nicht gut machen, sagten wir bald Adieu und verleibten uns beim Imbiss schräg gegenüber zwei Portionen Köttbullar ein, bevor die Wahl auf ein weiteres Etablissement fiel, das sich erst beim zweiten Blick und schon bestelltem Bierchen als wahre Freakshow entpuppte. Lange Kerzen flackerten in den Fenstern, ein haargegelter Anzugträger mit tiefdumm lächelnder Barbiefreundin im Arm machte blöde Witze, der Wirt hatte keine Haare auf dem Kopf, dafür sehr lange im Gesicht und trug eine schwere Stahlkette um den Hals. Die Gläser in unseren Händen vibrierten, weil stetig Schallwellen in Form gegrunzten Heavy Metals dagegen schlugen. Als zwei Transvestiten mit rosa Perücken und Cowboyhüten neben uns Platz nahmen, gingen wir lieber.
Nach soviel Großstadtleben auf einmal brachen wir am Samstag dorthin auf, wo harte Jungs wie wir am besten aufgehoben sind: In die schwedische Wildnis. Ein zwölf Kilometer langer Wanderpfad führte uns an die Seen des Tyresta Nationalparks.
Vier Stunden folgten wir verschlammten Pfaden durch das vermooste Unterholz, rutschten auf glitschigen Holzstegen über dampfenden Moore und gingen auch durch den Teil des Parks, der vor sechs Jahren durch einen Waldbrand zerstört wurde. Eine sehr gespenstische Szenerie: Verkohlte Baumreste recken sich dort in den nassen Nebel, vermoderte Treppen führen über mannshohe Schärenfelsen und umgestürzte Stämme, die Sichtweite liegt bei geschätzten zehn Metern.
Wer denkt, dies war ein Abenteuer, sollte sich allerdings zu Gemüte führen, was uns bei der Rückfahrt ereilte: Bei langsam heraufziehendem Dämmerlicht spuckte uns der Tyresta wieder an jener Bushaltestelle aus, wo am Vormittag unsere Wanderung begonnen hatte. Prompt wartete dort auch ein Bus auf uns. In tiefer Überzeugung, so Stockholm näher zu kommen, sprangen wir flugs hinein, überzeugten den Fahrer davon, unseren 500-Kronen-Schein anzunehmen und nahmen in der letzten Reihe Platz. Die Sache lief auch routiniert, bis uns nach zwanzig Minuten auffiel: Wir sind die fucking einzigen, alle anderen Fahrgäste sind bereits ausgestiegen. Unsere Sorgen wuchsen, als erstens der Busfahrer ungerührt an mehreren besetzten Haltestellen vorbeirauschte, er zweitens in seinem Fahrstil an den Typen aus „Speed“ zu erinnern begann und er drittens die Innenraumbeleuchtung ausschaltete. Da unsere verzweifelten Versuche, mit ihm Kommunikation aufzunehmen („Ey, machsch amol des Lischt wiedda an, kann ja kei Mensch lese bei der Funzelei!“) konsequent ignoriert wurden, beschlossen wir, brav Platz zu behalten und des Dinges zu harren, das da kam. Es stellte sich als Busdepot heraus. Als ich dem Fahrer vorsichtig auf die Schulter tippte, erschrak der gute Mann dann auch sehr und begann, sich zu entschuldigen, er habe gar nicht gemerkt, dass noch jemand hier sei und, ja, er müsse wohl auch vergessen haben, durchzugeben, dass das da vor zehn Minuten die Endstation war und nein, das sei nicht der Bus, den wir eigentlich hätten nehmen müssen. Um es kurz zu machen: Wir mussten ein bisschen improvisierten.
Was uns gelang. So trafen wir prompt rechtzeitig zur Saunaparty im benachbarten Flogsta ein, wo ein anstrengender Tag in der Natur bei Pizza, Carlsberg und mörderischen Aufgussrhythmen endete. Da auch Holger, trotz seiner diversen Tricks auf Lager, den studentischen Pflichten in der Wahlheimat nicht auf Dauer zu entkommen vermag, brach er heute wieder gen Westen auf. Bis zum nächsten Mal und Danke, Mann.
A gentlemen will walk but never run,
Cfö.
2 Comments:
die Freude, meinen ehrenwerten Freund und Genossen Chris im Lande der Schweden besucht zu haben, ist ohne Zweifel den bestechend formulierten res gestae des selbigen auf dem Webblog des selbigen zu entnehmen. Es war ehrlich gesagt ziemlich geil.
Darüberhinaus bleibt mir wenig mehr zu sagen, nachdem Christian die bedeutendsten Ereignisse jener drei Tage dem geneigten Leser bereits verfügbar gemacht hat. Daher soll hier weiter nicht mehr als einige wenig bemerkenswerte Momente meiner Rückreise veröffentlicht werden, nachdem ich schweren Herzens, jedoch mit der Versicherung eines gemeinsamen Bieres nach unserer Rückkehr, den Freund am Bahnhof von Uppsala zurückgelassen hatte.
Es fuhr der Zug zurück nach Stockholm, wie bereits an den zwei vergangenen Tagen. Dort stieg ich in einen anderen Zug. Nach Oslo. In die Stadt, die mich bei meiner Anreise von ihrer widerwärtigsten Seite begrüßt hatte, grau und nass wie aus dem schwarzweißen Bilderbuch. Da selbige bei meiner zweiten Ankunft, diesmal von Osten kommend, bereits im Dunkel der Novembernacht (die etwa um 15.30 Uhr beginnt) versunken war, konnte ich dem ebenfalls nicht viel abgewinnen. Ein Spaziergang unterhalb des mächtigen Akershus am Hafen führte mich jedoch alsbald mitten hinein in eine Horde leicht bekleideter Prostituierter, deren Viertel ich ohne es zu wissen, angelaufen hatte. Die Damen, wie taten sie mir leid in ihren kurzen Röcken, da sie den wohlhabend erscheinenden Passanten auflauerten. Mutig und zielstrebend manövrierte ich mich durch ihre Reihen hindurch, jedwede Aversion routiniert abweisend, gleichzeitig jedoch versichernd, dass die entsprechende Dame wirklich wunderschön sei und ich leider homosexuell. Der Trick funktionierte überraschend gut.
An alle, die das Märchen von den liberalen und offenen Skandinavischen Ländern einst glaubten, sei folgendes gerichtet. Eine Kontrolle im Zug wie beim Grenzübertritt Schweden-Norwegen habe ich selten erlebt. 5 uniformierte und bewaffnete Beamte stiegen kurz vor besagter Grenze ein und führten ihren Hund im Zug spazieren, der jegliches Gepäckstück prüfen sollte. Da ich ihnen nicht die Freude machen konnte, verbotenen Substanzen bei mir zu tragen, wollte ich ihm statt dessen einen Keks anbieten, was mir beinahe eine Verhaftung eingebracht hätte, konnten die ehrenwerten Staatsbeamten doch nicht wissen, ob jener Keks nicht gar vergiftet wäre, den dieser creepy locking guy dem Hund reichen wollte.
Es sei wie es ist, man ließ mich in Frieden und den Hund hungern.
In Oslo angekommen, aß ich den Keks selber.
Ich grüße euch,
ego holgus, imperator deusque
Holger, ich danke für die Vervollständigung und gratuliere zu diesen hervorragend erzählten Anekdoten. Achso: Wir sind aus Helsinki zurück. Siehe oben...
That's not the way it used to be,
cfö.
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